Cape Breton 7. bis 11. Juli 2010

Nach einer frühmorgendlichen Verabschiedung von Linda, die Erwin nicht ohne seinen geliebten Spieluhrenwauwau fahren ließ, machten wir uns schließlich auf den Weg in den Norden von Nova Scotia: Cape Breton. Wir hatten uns einige Sorgen gemacht. Cape Breton sollte zwar eine wunderschön wilde Insel mit einem tollen Nationalpark sein, aber eben auch mindestens acht Fahrstunden weit weg von unserer letzten Station.Blick vom Cabot Trail Eine lange Strecke für einen kleinen Mann.
Nach unendlicher Zeit und mit einem zum Glück meistens friedlich schlafenden Kind, das die restliche Zeit Unmengen von Babymöhrchen aus der Tüte geschnurpst hatte, überquerten wir die Brücke, die Cape Breton mit dem Rest der Provinz verband.
Wir mußten aber noch eine ganze Wegstrecke zurücklegen, bis wir schließlich am Nachmittag in Ingonish Beach am Cabot Trail ankamen. Hier bezogen wir eine sehr geräumige Hütte, die zwar schon etwas abgewohnt war, aber trotzdem in schöner Umgebung lag und ganz nah am Strand.
Zwei in der Umgebung liegende Wanderwege im Nationalpark besuchten wir noch am gleichen Tag. Ein kurzer Weg entlang des "Freshwater Lakes" bietet die Möglichkeit, mit ganz viel Glück, das wir aber an diesem Tag nicht hatten, auch Biber zu sehen. Immerhin fanden wir hier zum ersten Mal auch ein paar "Hinterlassenschaften" von Elchen, beobachteten einen ziemlich unscheuen Schneeschuhhasen und eine Strumpfbandnatter.
Middle Head war ein weiterer Weg in der Nähe,Endlich ein Elch der hoch oben auf einer kleinen Halbinsel an der felsigen Küste entlangführt. Wir sind ihn nur teilweise gegangen. Daß wir das Ende nicht erreichten, lag diesmal nur zur Hälfte an Erwin, zur anderen Hälfte an den hohen Temperaturen, die wir so weit im Norden nicht vermutet hätten.
Am Abend sind wir dann noch kurz zum Strand in Ingonish Beach gelaufen, nur einen Katzensprung von unserer Unterkunft entfernt. Ein ganz besonderer Anblick bot sich uns hier, da neben sehr großem Geröll auch eine tote Robbe angespült war. Nach dem Verwesungsgrad des Kopfes zu urteilen, war das Tier schon etliche Tage tot. Und auch wenn wir den Fund gleich unserer Vermieterin gemeldet haben, so dauerte es noch mindestens drei Tage, bis das Tier nicht mehr am Strand lag. Ob es wirklich abgeholt oder wieder mit der Flut davongespült wurde, konnten wir nicht erfahren.
Hauptsächlich sind wir jedoch nach Cape Breton gekommen, um endlich einmal lebendige Elche und nicht nur deren Hinterlassenschaften zu sehen. Dazu fuhren wir am nächsten Morgen ziemlich weit den Cabot Trail entlang bis nach Cheticamp auf der anderen Inselseite, zum dortigen Besucherzentrum des Nationalparks mit zugehörigem großen Naturbuchladen. Auch wenn der Weg sehr weit war, so wurde die Fahrt dennoch zu einem Erlebnis. Überall warnten nun Schilder vor überquerenden Elchen, die Bäume waren oftmals klein und verkrüppelt, auf Hochflächen kaum noch vorhanden. Die Straße schlängelte sich steil hinauf und hinab und bot atemberaubende Aussichten hinaus aufs Meer. Ein Stück vor Cheticamp wollten wir einen kurzen Moorrundweg laufen. Der war behindertengerecht als Bretterweg auch für uns mit Buggy und lauffaulem kleinen Mann geeignet.Erwin im Lupinenwald Kurz bevor wir den Weg erreichten, mußten wir jedoch ziemlich scharf bremsen, denn tatsächlich kreuzte ein großer Elch die Straße, der um einiges weniger aufgeregt war als wir und gemächlich im Gestrüpp verschwand. Am Moorweg herrschte sehr trübes und windiges Wetter. Dennoch war der Besuch lohnenswert. Überall blühten kleine Orchideen, Wollgras und Kannenpflanzen im Wasser. Hin und wieder entdeckten wir frische Elchspuren im Sumpf.
Im Cheticamp erstanden wir einige informative Bücher über Neuschottlands Tierwelt. Danach fuhren wir wieder ein Stück zurück, um noch den Skyline Trail entlangzugehen. Erwin jedoch hatte zunächst andere Pläne und hielt mit großem Protest die großen Leute vom Wandern ab, sodaß schließlich nur Diana den Weg in Angriff nahm. Etliche Wanderer kamen entgegen, bisweilen war die Strecke jedoch sehr einsam und geprägt entweder durch niedriges Nadelholzdickicht oder mooriges Offenland. Daß auf genau diesem Weg ein paar Monate vorher eine kanadische Countrysängerin von Kojoten getötet wurde, erfuhren wir erst später. An einer Stelle, an der der Weg wieder ins Dickicht hineinführte, machte ein Wandererpaar auf einen etwas abseits stehenden Elchbullen aufmerksam, der dort fraß, aber die Besucher nicht aus den Augen ließ. Am Ende des Weges findet sich schließlich ein Aussichtspunkt hoch über dem Meer, ein fantastischer Ort zum Verschnaufen. Und sogar Erwin hatte schließlich den Weg dahin geschafft, von Ringo nach vielem Zureden im Buggy hintransportiert. So konnten alle etwas erleichtert zusammen zurücklaufen und auch dann noch einmal den Elch, der inzwischen etwas weitergewandert war, beim Fressen beobachten.
Das graue, trübe und auch kühle Wetter, das im Norden der Insel herrschte, verriet nicht, daß es in niederen Lagen rund um Ingonish unsäglich heiß geworden war. Ohne es zu wissen, hatten wir mit unserem Bergausflug die klügste Entscheidung getroffen, um der Hitze zu entgehen. Als wir wieder zurück waren, entschlossen wir uns daher, an einer Flussmündung, etwas nördlich von Ingonish zu baden. Der Fluß kam aus den Bergen und hatte ganz viel Sand um seine Mündung abgelagert. Das Wasser war sehr kalt. Viele Familien, aber vor allem Kinder turnten hier nach Herzenslust im Wasser. Auch Erwin gefiel es da, wo das Wasser sehr seicht dahinfloß.
Am Abend sollten wir noch entdecken, daß Diana unbemerkt Bekanntschaft mit einem Blutegel gemacht hatte, der die kurze Dauer des Badeaufenthaltes genutzt hatte, um sich am Oberarm zu laben und eine Blutkruste zu hinterlassen. Erwin gefiel der Urlaub so sehr, daß er den Tag nicht früh genug beginnen konnte.Strumpfbandnatter Eines Morgens jedoch war ein Specht noch früher wach als Erwin und hämmerte vor seinem Fenster. Das hörte der Erwinmann. Eine enorme Aufregung erfaßte ihn, und er rief: Telefon! Telefon! An Schlaf war danach nicht mehr zu denken.
Da die Natur in Cape Breton nie weit entfernt war, konnte Ringo die Pausen von Erwin und Diana nutzen, um selbst loszuziehen. Einmal umrundete er am frühen Morgen einen Bergsee und traf keine Menschenseele. Als es einmal jedoch um Unterholz laut knackte, überquerte eine Elchkuh den Wanderweg mit einem Kalb. Langsam liefen sie durch den Wald, bis sie schließlich durch den See zum anderen Ufer schwammen. Eine Eistaucherfamilie lebte auf dem See. Das Rufen der Vögel bildete den perfekten Klang der Wildnis.
Ringos letzter Ausflug ohne Familie galt dem Weg zum Middle Head. Der Blick auf den Sankt-Lorenz-Golf in der Abenddämmerung, die über dem Wasser fliegenden Baßtölpel, die auf dem Wasser schwimmenden Eiderenten und Gryllteisten - das war ein grandioser Abschied von der kanadischen Natur.