Digby Neck 4. bis 7. Juli 2010

Nach zwei Tagen nahmen wir Abschied von Kejimkujik und fuhren gen Digby Neck, einer 60km langen Landzunge, die parallel zur Festlandküste südöstlich der Stadt Dibgy in die Bay of Fundy ragt. Von Kejimkujik hätten wir relativ schnell dort sein können,Graham's Pioneer Retreat wir entschlossen uns aber, vorher noch ein paar Enten bei Annapolis Royal anzusehen. Inmitten von bewirtschafteten Wiesen, die so ganz anders aussahen, als wir es bisher in Nova Scotia gewohnt waren, gab es ein kleines Schutzgebiet, das seine Existenz nicht nur Naturschützern, sondern auch Ducks Unlimited, einer Jägervereinigung, verdankte. Viele Enten gab es dann zwar doch nicht, aber etliche Schmetterlinge und ganz viel heiße Sonne. Vor der Weiterfahrt nach Digby bemerkte ein freundlicher Kanadier, daß wir ein "Souvenir" im Kühlergrill spazierenfuhren. Irgendwo ist ein Vogel unserer Autofahrt zum Opfer gefallen und schmorte nun in der sengenden Hitze. Kurz vor Annapolis Royal, das wir leider wegen hitzebedingter Erschöpfung und eingebildetem Zeitmangel nicht besuchen konnten, kamen wir am einzigen Gezeitenkraftwerk Nordamerikas vorbei. Das ist nicht besonders ansehnlich oder aufregend, aber dennoch eine Besonderheit, immerhin ist es sinnvoll, den enormen Tidenhub in dieser Region auszunutzen.
Auf der Landzunge merkten wir dann, wie sich so eine Strecke dehnen kann. Irgendwo an der langen Straße zwischen Digby und Brier Island fanden wir dann unser nächstes Domizil: Graham's Pioneer Retreat. Wir folgten den Schildern zur Rezeption und stießen zwischen mehreren Hunden auf einen Holzfällertypen. Ein Sammelsurium von Quads, kleinen Traktoren und Autos stand herum, und das Büro war ein Chaos. Oje, wo waren wir nur hingeraten. Der Holzfäller wies uns an, ihm hinterherzufahren, und so ruckelten wir einige Kilometer über Schotterpiste durch den Wald, über einen Kamm mit atemberaubender Aussicht hinweg und dann an der St. Mary's Bay steile Schotterabhänge hinunter. Bald kam eine wunderbare neugebaute Holzhütte in Sicht. Blick von der Hütte über die BuchtWir sollten erst die vierten Gäste sein, die hier übernachteten. Die Hütte war sehr großräumig und wunderbar eingerichtet. Durch große Fenster konnten wir vom Bett aus direkt auf die Bucht schauen und den rasanten Gezeitenwechsel miterleben. Einmal zeigte sich sogar ein Seehund. Nachts leuchteten von der gegenüberliegenden Seite die Lichter der Häuser, und der Sternenhimmel war so klar und übervoll, wie er nur an abgelegenen Orten zu sehen ist.
Bei einem Strandspaziergang an der Bucht wehte ein sehr frischer Wind, fast schon unwirklich nach den heißen Temperaturen am Mittag. Muscheln gab es auch hier keine. Der Strand bestand aus ziemlich grobem Gestein.
Linda, die Besitzerin brachte noch ein Babybettchen vorbei und einen Hund mit Spieluhr, den Erwin von der ersten Sekunde in sein Herz schloß und der von uns ständig aufgezogen werden mußte. Wir Großen verbrachten die Nacht in einem Bett, für das kleinere Leute eine Leiter benötigt hätten. Mußten wir allerdings noch mal raus, dann ging das nur, indem wir auch die Bewohner der weiter weg stehenden Hütten weckten: Denn Strom gab es hier nur per Generator.
Den ersten kompletten Tag auf Digby Neck wollten wir mit einer Waltour ab Brier Island krönen. Brier Island ist die letzte von zwei Inseln, die vor Digby Neck liegen. Verbunden ist alles durch Fähren. Auf dem Weg dahin lag Sandy Cove, ein ziemlich verlassen wirkender Fischerhafen an einem schönen langen Sandstrand. Der Strand war voller Fischfangutensilien und Unmengen von kleinen Gummiringen, deren Bestimmungszweck wir nicht verstanden, der ganze Ort voller Atmosphäre.
Am Ende einer unserer Fährfahrten muß es einiges Kopfschütteln unter den Einheimischen gegeben haben, als nämlich zwei Touris mit kleinem Kind einfach nicht vom Schiff runterfahren wollten. Offenbar konnte der Fahrer den Zündschlüssel nicht mehr finden. Dafür gelang es ihm irgendwie, die Alarmanlage in Gang zu bringen.Buckelwal Fast alle Fahrzeuge hatten schon die deutschen Touristen umkurvt und waren von der Fähre runtergefahren, nur wir kamen nicht weg, allein mit unserer Panik, bis sich schließlich der Schlüssel doch noch einfand. Wie peinlich…
Der kleine Ort Westport auf Brier Island besteht im Grunde nur aus einem ziemlich großzügigen Naturhafen. Das Wasser war unheimlich klar. Wir konnten riesige Jakobsmuschelschalen am Meeresgrund erkennen. Die Fischerei beschränkt sich hier hauptsächlich auf den Muschelfang. In ein paar Souvenirläden suchten wir Zuflucht vor der sengenden Sonne, bis Dianas Walbeobachtungstour startete. Waltouren sind nichts für einen sehr aktiven bald Zweijährigen, so mußte denn der Papa zurückbleiben mit dem kleinen Mann und konnte die recht kleine Insel von links nach rechts und von oben bis unten erkunden. Drei Stunden waren für die Tour vorgesehen. Etwas länger hat es dann aber doch gedauert. Die Beobachtungsboote fahren einfach nur raus in die Bay of Fundy, und per Ortung oder durch Mitteilung von anderen Schiffen erhalten sie die Hinweise, wo sich die Wale gerade aufhalten. Noch nicht weit weg von der Insel tauchte ein Minkwal auf. "Nur" für einen Minkwal wolle die Crew aber nicht extra anhalten, hieß es auf dem Schiff, was wohl daran liegt, daß dieser Wal schnell schwimmt und von ihm nur der Rücken zu sehen ist. Später tauchten noch ein Schweinswal und Delphine auf. Aber das eigentliche Ziel waren ja die Buckelwale. Und die tummelten sich inmitten einer riesigen Krillwolke, um zu fressen. Etwa zehn Tiere, große und auch Jungtiere, sammelten mit ihren riesigen Mäulern die Krebstiere auf. Die Leute an Bord sahen ihnen eine ganze Weile bei der Nahrungsaufnahme zu. Später dann packte einen der Wale die Neugier, und er kam direkt ans Boot heran, um sich hier zu drehen und darunter durchzutauchen, sich wieder nach oben treiben zu lassen. Es hatte den Anschein, als machte ihm das Spaß, dem Publikum etwas aus seinem Verhaltensrepertoire zu zeigen. Selbst die erfahrenen Organisatoren zeigten sich begeistert. Ein perfekter Tag mit riesengroßen Tieren, bei sonnigem Wetter und fast keinen Wellen.
Ringo freute sich ebenfalls auf seine Waltour, die am nächsten Tag, dann aber von Tiverton, weiter nördlich, losgehen sollte. Leider hatte er nicht so viel Glück. Das Wetter war rauer.Am Balancing Rock Zwischendurch hatte es geregnet, sodaß die Wale zwar zu sehen waren, aber man ihr Verhalten unter Wasser niemals mitbekommen konnte. Trotzdem immer noch eindrucksvoll. Immerhin gab es auch Seevögel, darunter Große Sturmtaucher, die auf Tristan da Cunha im südlichen Atlantik brüten, ein paar Monate des Südwinters in der Bay of Fundy verbringen, dann weiter bis nach Westeuropa und schließlich wieder in den Südatlantik ziehen. Eine beeindruckende Flugstrecke.
Erwin ist währenddessen die ganze Zeit "autogefahren". D.h. er hockte hinter dem Lenkrad des geparkten Autos und drehte und spielte an allen Knöpfen. Auch ein erfüllter Tag. Wenn er gerade mal nicht Auto fuhr, nahm er Kontakt zu den Einheimischen auf, die kaum ein einziges Mal an ihm vorbeigehen konnten, ohne ihn wenigstens anzulächeln. In einem Souvenirshop konnte er seine neu gelernten Englischkenntnisse loswerden: How are you? fragten die Kandadier, und Erwin: Fine. Sein wichtigstes Wort allerdings war: Okay. Als die Leuten ihm sagten: You are so cute, we will take you with us, dann war seine Antwort: Okay.
Unbedingt einen Stopp wert: der "Balancing Rock". Das ist eine Granitsäule, die wie ein tanzender Stein gerade noch halb auf einem anderen Granitblock an der St. Mary's Bay steht. Ein kurzer Wanderpfad durch Moor und über steile Treppen führt dorthin. Nur wenn ein kleines Kind dabei ist, das partout nicht selbst laufen mag, dann kann der Weg dahin sehr lang werden.