Kinderwagen auf Kopfsteinpflaster - Brügge erleben mit Baby, Oktober 2009 Brügge sehen, aber nicht sterben. Das war unser Wunsch für einen Besuch in dieser belgischen Stadt. Das Auto voller Kinderwagen, Babyklamotten und Windeln machten wir uns auf eine dreistündige Fahrt nach Westen, um ein verlängertes Wochenende unter Flamen und ein paar Touristen zu verbringen.
An einem frühen Freitagabend passierten wir eines der Brügger Stadttore, um im Innern der Altstadt in einem Gewimmel aus Gäßchen und Einbahnstraßen unser kleines Ferienhäuschen in der Pottenmakerstraat direkt am Kanal zu beziehen. Von hier aus hatten wir einen wunderbaren Blick auf eines der Brügger Wahrzeichen, den Belfried. Für den Nachwuchs war das Wochenenddomizil eine willkommene Abwechslung zum ewig gleichen Spielzeug zu Hause. Steile Treppen luden zum Klettern und große Schubfächer in der Küche zum Ausräumen ein. Das alte Häuschen war liebevoll eingerichtet. Die Vermieter hatten sogar an Möblierung für ein Kleinkind gedacht, und eine Schachtel voller leckerer belgischer Pralinen war auch bereitgestellt. Schade nur, daß uns der erste Morgen in Brügge mit Regen empfing. Egal, mit Schirmen und Regenschutz für Kinderwagen starteten wir unseren Rundgang durch die schöne alte Stadt. Erstmal immer in Richtung Belfried. Dabei kamen wir durch Gassen mit kleinen schiefen Häuschen, aber auch großen herrschaftlichen Giebelhäusern, sehr schön verziert. Hier gab es so viele verschiedene Häuser und Häuschen. Nichts war gleich. Es gab Häuser mit weißen, roten, blauen oder grünen Fenstern und Türen.
Am Marktplatz, an dem der Belfried steht, probierten wir belgische Pommes. Pferdekutschen fuhren vorbei. Auf den Belfried konnte nur einer von uns, der andere mußte den Nachwuchs bei Laune halten. Ein paar dickliche Engländer quälten sich wie viele andere Touristen die schmale Treppe hinauf und verursachten einen Stau. So konnte man wenigstens auch mal pausieren, ohne es auf die eigene mangelnde Kondition schieben zu müssen. Von oben dann ein wunderbarer Blick über alles, was uns noch erwarten würde. Schöne Stadt. Unten gings dann weiter zum Rozenhoedkaai, der bekannten Brügger Stadtansicht und Ausgangspunkt mancher Grachtenfahrt, die wir aber nicht mitmachen konnten. Dafür konnten wir einen oder zwei Blicke in Geschäfte mit typisch Brügger Dingen werfen, geklöppelte Spitzentischdecken (aber nicht häßlich!), Plätzchen und natürlich Schokolade. Hier konnte man die Pralinen gleich in Kilopaketen kaufen. Noch aber hatten wir uns nicht entschieden. Erstmal gings weiter am Kanal entlang an einem Trödelmarkt vorbei. Wer ein Herz für antiquarische Kleinteile hat, sollte mal vorbeischauen. Leider wurde uns erst im Nachhinein bewußt, daß es im Groeninge Museum auch Hironymus Boschs Werke zu sehen gibt. Tja, nur ein Grund, mal wieder nach Brügge zu fahren. Dafür haben wir aber die Mutter mit dem Kinde in der Liebfrauenkirche nicht verpaßt. Und das ist ganz gut so, denn das ist die einzige Bildhauerarbeit Michelangelos außerhalb Italiens! Am Nachmittag erkundeten wir noch die östlich der Altstadt gelegenen vier Windmühlen. Viele Touristen begegneten uns hier nicht mehr. Keine Ahnung, ob sie nicht so von Interesse sind oder nur der Regen schuld war. Auch uns trieb der Regen einmal in ein winziges Café hinein zu einer Tasse heißer Schokolade, während eine dicke französische Bulldogge die Regentropfen von des Nachwuchses Kinderwagenregenschutzhülle abschlabberte, um danach genüßlich seine hervorstehenden Zähne an einem Gummireifen zu wetzen. Schließlich mußte es noch einen Besuch im Schokoladenmuseum geben. Neben der theoretischen Geschichte des Kakaos und der Schokolade, praktischer Pralinenmachanleitungen, bei der auch eine frische für den kleinen Mann abfiel, gab es einen lebensgroßen Schokoobama und ganz viele andere Schokoladenfiguren in Übergröße. Am Burgplatz wohnten wir noch der Ansammlung der Pferdekutschen zur letzten Rundfahrt bei. Dann war der aufregende Tag auch schon wieder vorbei.
Der nächste Tag wurde nicht in Brügge, sondern am Meer verbracht.
Dann hieß es auch schon wieder Abschiednehmen. Am nächsten Morgen mußten wir zurück. Einen kleinen Abstecher wollten wir aber noch nach Gent machen. Größer und reicher als Brügge wurde es uns beschrieben. Auch mit Kanälen. Alles das traf zu. Es hat einen größeren Belfried, eine riesigere Kirche, sogar eine Burg. Viel größere Häuser, aber auch eine wahnsinnig große Baustelle mitten in der Altstadt, die den Genuß der Umgebung durch Sägen, Hämmern und Bohren, Rütteln und Walzen etwas getrübt hat. Brügge ist viel besser. Es ist eine wunderschöne Stadt, die zusammen mit Danzig und Trujillo in der Extremadura auf den gemeinsamen 1. Platz der schönsten Städte der Welt kommt. Wir werden sie definitiv wieder besuchen und wer dann nicht mit will, ist selbst schuld!
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