Treppauf, treppab im Kinderwagen - Pragurlaub mit Baby, Juli 2009

Urlaub mit Baby. Mal was anderes.Erwin Natürlich gibt es ganz viele Kompromisse: kürzer, näher, gelassener. Aber Erwinmann wird auf der Reise 10 Monate alt, und es zeigt sich: das ist ein gutes Alter zum Verreisen. Prag ist wirklich nah, 3 Zugstunden von der Thüringer (Ex-)Heimat entfernt. Auch wenn sich diese 3 Stunden ziehen dank verspäteter Züge, kurzer Umsteigzeiten, einem überfüllten Regionalexpress von Zwickau nach Dresden. Der kleine Mann verschläft die unangenehmsten Abschnitte.

Angekommen in Prag-Holešovice die erste knifflige Aufgabe: ein U-Bahn-Ticket besorgen ohne tschechisches Kleingeld. Ein Tabakladen hilft weiter. Knifflige Aufgabe Nr. 2: Bahnsteige erreichen und wieder verlassen. Dies geht nur, indem wir in einer Hand den Koffer, in der anderen den Kinderwagen die Treppen hinauf oder hinab balancieren. Ein Thema, das uns in Prag nicht mehr verlassen wird. Aber da sind auch deutsche Bahnhöfe nicht immer Vorreiter.

Dann sind wir endlich im Antik City Hotel angekommen. Kind wickeln und füttern. Babybrei ist doch schwerer zu bekommen als gedacht. Sollten nur deutsche Babies in den Genuß der immer gleich schmeckenden Breigläschen kommen? Zum Glück reichen die mitgebrachten Vorräte weitgehend. Das Hotel in der Neustadt ist ruhig gelegen.Gasse Das Personal hilft bei Sonderwünschen wie Babybett und Wasserkocher, selbst ein Hochstuhl findet sich beim Frühstück am zweiten Morgen und ist eine Erleichterung für die Eltern, die keinen menschlichen Quirl mehr davon abhalten müssen, vom Schoß auf den Tisch zu krabbeln.

Also kann die Stadt erkundet werden. Der Sommerhitze trotzen wir. Die Altstadt beginnt unweit vom Hotel. Unvermittelt saugt uns der Touristenstrom auf, und wir treiben in Richtung der Karlsbrücke, die über die Moldau führt. Zunächst vorbei an Souvenirläden mit böhmischem Kristall, Andenkentassen, T-Shirts und allerhand Holzspielzeug. Dann auf der Brücke finden wir uns inmitten von Menschen, die sich gegenseitig fotografieren und die Reliefs am Brückengeländer mit ihren Händen polieren, um sich unausgesprochene Wünsche erfüllen zu lassen. Zwischen ihnen, Stand an Stand, Händler, die darauf aus sind, Schmuck oder, naheliegend, Bilder und Fotos der Karlsbrücke zu verkaufen und Künstler, die anbieten, Portraitzeichnungen von den Touristen anzufertigen. Der Kinderwagen bedeutet: Es wird noch enger als so schon. Mehr Platz haben nur die Bauarbeiter aus Südosteuropa, die in der abgesperrten Brückenhälfte herumwerkeln.

Dann hinter der Brücke der Lieblingsort unseres Urlaubs: Himmlische Ruhe, die Touristenströme sind auf dem kurzen Weg schon an der ersten Kreuzung verloren gegangen. Das ist die passend benannte Kleinseite oder Mala Strana. Alles ist kleiner. Die Häuser und Straßen sind eher dörflich als weltstädtisch und das nirgendwo mehr als an der verzaubert wirkenden Mühle. Die allergrößte Freude besteht jedoch darin, in Seitenstraßen abzubiegen, ohne je zu wissen, ob sie als Sackgasse in einem Innenhof enden oder zu anderen malerischen Straßen führen. Immer da ist die Moldau, sei es, daß man direkt an ihr Ufer gelangt oder von weiter oben den Panoramablick über den Fluß genießen kann. Der Kinderwagen begrenzt unseren Aktionsradius jedoch auf die ebenen Bereiche des Viertels, Karlsbrückeda es gilt, größere Treppen zu meiden. Der Garten des Palais Waldstein, dem Sitz des tschechischen Senats, gibt dem Kind Gelegenheit, die Welt außerhalb des Kinderwagens zu erkunden, sich die Pfauen, Springbrunnen und Teiche anzusehen.

Auf dem Weg zum Hradschin, der riesigen Burganlage oberhalb des Flusses, reihen wir uns wieder in die Menschenmassen ein. Der Weg ist steil, aber zu bewältigen. Unzählige Souvenirläden ermöglichen auch, sich mit kalten Getränken zu versorgen. Oben angekommen, vorbei an den Wachsoldaten und über den ersten Burghof, gibt der zweite, größere Burghof dem kleinen Mann die Chance, seine Krabbelkünste den staunenden Touristen vorzuführen. Er erntet dafür bewundernde Worte in verschiedenen europäischen Sprachen und ist für einen kurzen Moment das interessantere Fotomotiv im Vergleich zu den historischen Gebäuden um ihn herum. Wir stellen uns in die Menschenschlange, vor dem St.-Veits-Dom, die sich langsamer bewegt, als gedacht, und bestaunen schließlich das Innere der Kirche, wobei der kleine Mann fachmännisch die Holzverzierungen überprüft. Vom Dom abgesehen, belassen wir es dabei, die vielen Gebäude, die zusammen die Prager Burg bilden, von außen zu betrachten. Mit Kind und Kinderwagen wären wir im Inneren verloren, und der Nachwuchs hat andere Prioritäten. Wie zum Beispiel den noch etwas weiter oberhalb gelegenen Burggarten mit dem Singenden Brunnen, der sich wie ein Glockenspiel anhört, wenn man den Kopf unter das Becken hält. Der Garten ist groß genug, um eine freie Bank zu finden, die der Familie Gelegenheit gibt, Babybrei und mitgebrachten Kuchen zu verzehren.Blick auf den Hradschin Auf dem Rückweg, als das Kind endlich eingeschlafen ist, nutzen wir noch die Zeit, um den Wachwechsel vor dem Burgtor zu beobachten.

Der Rückweg führt direkt nach Josefov, Josefstadt, ins ehemalige jüdische Viertel Prags. Zugang zum Jüdischen Friedhof gibt es jedoch nur in Kombination mit einer (vergleichsweise teuren) Eintrittskarte für vier weitere jüdische Museen. Als uns unser Weg zum zweiten Mal am Eingang zum Friedhof vorbeiführt, entschließen wir uns doch dazu, hineinzugehen. Die alten, dicht gedrängten, fast übereinander liegenden Grabsteine auf dem viel zu engen Gelände lassen nur geradeso Platz, um mit dem Kinderwagen auf dem vorgeschriebenen Weg hindurch zu finden. Leider tragen sie sämtlich hebräische Inschriften und bieten damit nicht viel zum Rätseln und Entschlüsseln, und der Betrachter fragt sich angesichts der Enge und der fremden Schriftzeichen, ob denn die Prager Juden, die hier begraben liegen, selbst ihr eigenes Grab hätten finden können. Einen Teil der anderen Museen besuchen wir, der steilen Treppen wegen, im Wechsel. Während einer drinnen ist, bewacht der andere den Kinderwagen mit seiner wertvollen Fracht, im Anschluß werden die Rollen getauscht. Doch schließlich wird uns dies zuviel, und wir beenden den kulturellen Teil unseres Prag-Urlaubs. Alle anderen Museen müssen darauf warten, auf späteren Reisen besucht zu werden.

Es gibt ja auch noch mehr zu sehen: Die Altstadt bietet Gelegenheit für immer neue Entdeckungen: noch mehr verzauberte Durchgänge undTeinkirche Innenhöfe oder den Blick auf die Teinkirche am Altstädter Platz. Das Figurendefilé der Astronomischen Uhr am Altstädter Rathaus zieht zu jeder vollen Stunde eine Touristenschar an. Ein besonders schöner Ausblick über die Stadt bietet sich vom Rathausturm, dessen Spitze zu unserer großen Überraschung im nicht eben kinderwagenfreundlichen Prag mit dem Fahrstuhl zu erreichen ist. Leider ist der untere der beiden Fahrstühle kaputt, und der kleine Mann muß doch unten bleiben. Zum Abschluß dann ein unerwarteter Höhepunkt: Nach zweieinhalb Tagen im Zentrum zieht es die Reisenden hinaus in den Zoo. Das macht neben der U-Bahn-Fahrt auch eine längere Fahrt im überfüllten Bus notwendig. Den ersten Bus müssen wir noch fahren lassen, doch dann wird der Kinderwagen wieder einmal die Treppe hoch gehievt, und es kann losgehen. Wenig überraschend, daß die vielen Mitreisenden an derselben Haltestelle aussteigen wie wir. In der sommerlichen Hitze hatten offenbar viele die gleiche Idee, und selbst im nicht eben kinderreichen Prag kommen doch einige Eltern zusammen, die den Nachwuchs ausführen. Kaum haben wir die Schlange am Einlaß hinter uns gelassen, finden wir uns in einem der schönsten Zoos wieder, die wir je besucht haben: Flughunde fliegen in einem unterirdischen Gang knapp über unsere Köpfe hinweg. Ein Komodowaran streckt uns seine Zunge entgegen, die Erdferkel liegen faul ihn ihrem Bau. So viel gibt es zu entdecken, daß wir nicht annähernd alles sehen können. Der kleine Mann aber hat viel Gelegenheit, krabbelnd die Welt zu erkunden und mit den anderen Besuchern zu flirten.

Dann heißt es schon wieder: Koffer packen. Vier Tage Prag mit Kinderwagen reichen aus, um ziemlich platt zu sein. Sie machen dennoch große Lust darauf, mit laufendem Nachwuchs wiederzukommen und hin und wieder auch einmal das Innere der vielen Häuser zu erkunden.


              Altstädter Platz. Bitte klicken, um das Bild zu vergrößern!   Der Singende Brunnen. Bitte klicken, um das Bild zu vergrößern!   Gaviale im Zoo. Bitte klicken, um das Bild zu vergrößern!   Vor der John-Lennon-Gedächtnismauer. Bitte klicken, um das Bild zu vergrößern!   Abendessen. Bitte klicken, um das Bild zu vergrößern!  

              Der Kleine Maulwurf. Bitte klicken, um das Bild zu vergrößern!   Die Moldau. Bitte klicken, um das Bild zu vergrößern!   Mühle in kleinseite. Bitte klicken, um das Bild zu vergrößern!   Platz. Bitte klicken, um das Bild zu vergrößern!   Schwäne auf der Moldau. Bitte klicken, um das Bild zu vergrößern!  

              Blick vom Altstädter Rathaus. Bitte klicken, um das Bild zu vergrößern!   Wachen vor der Burg. Bitte klicken, um das Bild zu vergrößern!   Palais Waldstein. Bitte klicken, um das Bild zu vergrößern!   Wenzelsplatz. Bitte klicken, um das Bild zu vergrößern!   Kind auf der Karlsbrücke. Bitte klicken, um das Bild zu vergrößern!